Mittwoch, 6. Juli 2011

Von einer, die auszog, einen Wecker zu kaufen

Der Wecker ist kaputt. Wie so oft erwies sich der Nachttisch beziehungsweise der Bodenkontakt nach einem unvermittelten Sturz von diesem als der limitierende Faktor des Wecker-Lebens. Da die Hahnenschrei-Methode in der Innenstadt nicht erfolgversprechend ist und auf die innere Uhr sowieso kein Verlass, musste das Handy als Wecker-Ersatz einspringen. Nachdem es sich zum dritten Mal in den Abgrund vibriert hatte und damit von einem ähnlich jähen Ende bedroht war wie der Wecker, wurde eine Neuanschaffung unumgänglich.
"Leichter gesagt als getan" ist ein schöner Satz, den man sehr leicht sagen und fast genauso leicht schreiben kann, doch was überhaupt nicht leicht ist, ist einen neuen Wecker kaufen. Denn das Angebot ist schlecht und die Ansprüche sind hoch. Der Wecker soll zuverlässig sein, also mit Funk. Er soll aber auch nostalgisch sein, also nicht digital. Laut ticken soll er aber auch nicht. Der Alarmton soll kompromisslos wecken, dabei aber die Ohren streicheln und einen so sanft erwachen lassen, dass man das Gefühl bekommt, man sei von selber aufgewacht. Nötig ist außerdem eine Schlummertaste, damit man sich nochmal rumdrehen kann, nachdem einem die Ohren gestreichelt worden sind. Die Schlummerzeit soll sechs Minuten betragen. Licht braucht der Wecker auch, denn im Schlafzimmer ist es meistens dunkel, und wer jedesmal das Licht einschalten muss, wenn er wissen will wie spät es ist, hat keinen guten Schlaf und ein unfrohes Leben.
Im Elektromarkt stellt der geneigte Käufer zuerst eines fest: Wecker gibt es nicht. Es gibt Wetterstationen. In diese Abteilung wird man vom Elektromarktfachangestellten geschickt, wenn man verwirrt vom Überangebot der nützlichen Elektroartikel einen Mitmenschen um Hilfe bittet.
In der Wetterstationenabteilung stehen Bildschirme von den Ausmaßen eines kleinen Fernsehers mit vielen Anzeigen und Symbolen, die sich hauptsächlich mit dem Wetter und, in untergeordneter Ebene, auch mit Datum und Uhrzeit befassen. Viele von diesen Stationen sehen aus, als könne man das Wetter damit nicht nur beobachten, sondern aktiv beeinflussen.


Der Plan war aber nicht, das Wetter zu machen, sondern morgens zeitig für Arbeit und Tagesgschäft aufzuwachen. Zum Glück gibt es auch weniger üppig ausgestattete Modelle. Auf den Preisschildern unter dem jeweiligen Gerät wird kurz tabellarisch zusammengefasst, was das entsprechende Wunderwerk der Technik alles kann. Da steht dann zum beispiel "funkgesteuert", und wenn die Station wirklich funkgesteuert ist, ist da ein Plus. Wenn nicht, dann ist da ein Minus.
Auf dem untersten Regal sind die am läppischsten aussehenden Teile, die für den Fortschrittsfeind. Mit den Zeigern und den Zifferblättern könnte man fast meinen, man habe Wecker vor sich, doch nein, aus den Infoschildern am Regal geht klar hervor, dass man es mit Wetterstationen zu tun hat. Auf der Schild steht: "Weckfuntion:+. Temperaturanzeige: - "
Damit ist das Wesen des Weckers geklärt. Es handelt sich tatsächlich nur um eine Wetterstation ohne Temperaturanzeige.
So eine steht jetzt übrigens wieder auf dem Nachttisch. Bis zum nächsten Absturz.